Pullach im Isartal
Alte Hl. Geist Kirche

Orgelrestaurierung Pullach Taschenlade
Orgelrestaurierung Pullach Taschenlade
Orgelrestaurierung Pullach Taschenlade

Franz Borgias Maerz/ München - 1902 - I+P/6

Restaurierung November 2025

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Die Orgel

Die Orgel der Alten Heilig-Geist-Kirche wurde im Jahr 1902 von der bekannten Münchner Orgelbaufirma Franz Borgias Maerz als Opus 416 erbaut. Es handelt sich um ein pneumatisches Taschenladeninstrument. Während des Ersten Weltkriegs wurden die originalen Prospektpfeifen requiriert und später durch Zinkpfeifen ersetzt. Bei der letzten größeren Renovierung durch Hubertus Graf von Kerssenbrock im Jahr 1987 erhielten die Prospektfelder neue Zinnpfeifen. Weitere Arbeiten am Instrument sind nicht bekannt. Auch Inschriften früherer Orgelbauer wurden leider keine gefunden.

Klanglich entspricht das Orgelwerk einem typischen Instrument der Firma Franz Borgias Maerz aus dieser Zeit. Mit zahlreichen 8′-Registern und wenigen 4′-Registern setzte Maerz auch hier den romantischen Klanggedanken in kompakter Form um. Die Klangkrone wird durch die Kombination von Superoktav-Koppel und dem Register Oktave 4′ gebildet.
Der Prinzipal 8′ fungiert als rundes Klangfundament und universell einsetzbares Grundregister. Das Gedeckt 8′ ergänzt dieses mit einem weichen, flötigen Charakter, während die überblasende Traversflöte 4′ sowohl als Soloregister als auch in Verbindung mit dem Gedeckt eine helle Klangfarbe beisteuert. Das Salicional 8′ stellt eine leise, streichende Klangfarbe dar und sorgt für feine dynamische Abstufungen. Der Subbass 16′ im Pedal ist eher zart intoniert und eignet sich besonders für meditative Registrierungen; bei kräftigerem Manualklang wird üblicherweise die Pedalkoppel zur Unterstützung hinzugezogen. Das volle Werk verfügt über ausreichende Gravität und erfüllt den Kirchenraum klanglich ausgewogen. Die romantische Intonation erfolgt über das Setzen von Kernstichen und erhöhten Aufschnitten, wodurch eine runde Ansprache und reduzierte Obertöne erzielt werden. Dadurch entsteht der charakteristische sinfonische, mischfähige Klang der süddeutschen Orgelromantik. Die Lautstärkeregelung erfolgt ausschließlich am Pfeifenfuß durch Aufreiben oder Kulpung der Öffnung. Bei Holzpfeifen wird die Lautstärke mittels Holzkeilen eingestellt.
Vor der Renovierung war das Instrument bei einer Raumtemperatur von etwa 5 °C auf 435 Hz eingestimmt und damit deutlich zu hoch. Zu Beginn der Arbeiten wurden daher verschiedene Versuche mit Winddruck und Stimmhöhe durchgeführt. Im Zuge dieser Maßnahmen konnte die Stimmung auf den heute üblichen Kammerton von a = 440 Hz bei 15 °C eingestellt werden. Der Winddruck wurde auf 82 mm WS festgelegt.

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Pfeifenwerk

Die Prospektpfeifen wurden im Rahmen der Restaurierung komplett erneuert. Die Mensuren wurden anhand der Innenpfeifen sowie durch den Vergleich mit zeitgleichen Instrumenten von Franz Borgias Maerz rekonstruiert. Die neuen Pfeifen bestehen aus einer 78 %-Zinn-Blei-Legierung. Die Fußöffnungen wurden um ca. 50% eingezogen. Da die Stocklöcher im Prospekt deutlich überdimensioniert waren, mussten sie überarbeitet und auf das korrekte Maß verkleinert werden. Zur mechanischen Stabilisierung und Sicherung gegen Verdrehung wurden die neuen Prospektpfeifen mit Haften und Metallstiften fixiert.
Das Metallpfeifenwerk wurde im Kernbereich trocken mit Pinsel, Federn und weichen Bürsten gereinigt und außen feucht gewischt. Dellen und defekte Stimmvorrichtungen wurden repariert und wieder instandgesetzt. Die Stimmrollen wurden generell etwas zurückgerollt, um wieder eine saubere Stimmung legen zu können. Wenige Stimmrollen mussten erneuert werden. Auch die halbgedeckten Pfeifen aus dem Register Gedeckt 8‘ wurden wieder in ihren bauzeitlichen Zustand versetzt, indem die Pfeifen abgeschnitten und mit entsprechendem Material angelängt, um die Mündungen wieder kulpen zu können. Vier Fremdpfeifen im Prinzipal 8‘ und eine Fremdpfeife im Oktave 4‘ wurden in Originalbauweise ersetzt und intoniert. Die Stimmdeckel von Gedeckt 8‘ wurden wieder gängig gemacht und mit Talkum behandelt. Zu hohe Aufschnitte wurden mit Zinneinlagen am Labium reduziert. Im Anschluss mussten zahlreiche Pfeifen für den optimalen und geraden Sitz deutlich einrastriert werden. Im Bassbereich stehen die Pfeifen teilweise extrem eng, was eine freie Aussprache und Intonation leider etwas beeinträchtigt.
Die Holzpfeifen wurden feucht gewischt, der Kernbereich trocken gebürstet und die befallenen Pfeifenkörper mit Holzwurmmittel behandelt. Nach dem Trocknen wurden die Wurmlöcher mit einer Paste aus Bienenwachs und Leinöl ausgestrichen. Die Spunde wurden entfernt, gereinigt und deren Passung geprüft. Das Leder wurde talkumiert und wo nötig ersetzt. Defekte Stimmbleche, v.a. im Register Salicional 8‘ wurden aus Weißblech erneuert. Die Metallstifte der Anhängung von Prinzipal 8‘ C-H wurden erneuert. Defekte Ösen wurden wieder sauber verleimt.

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Windlade - Taschenlade

Die Stöcke wurden demontiert, ausgeblasen und mit Wurmmittel behandelt. Die stehenden Taschen wurden vollständig ausgebaut und in der Werkstatt restauriert, indem sie teilweise neu beledert, mit Lederpflegemittel eingelassen und stirnseitig neu papiert wurden. Die Taschen waren bereits alle mit einer Filzdämpfung im Inneren des Holzgehäuses versehen, sodass hier keine Anpassung erfolgen musste. Zudem wurden alle Federn kontrolliert. Alle Dichtungsscheiben wurden aus doppelt verleimtem Leder erneuert. Die Auslassventile unter den Stöcken wurden kontrolliert und bei Bedarf angepasst, indem das Leder erneuert oder Filz eingearbeitet wurde. Die teilweise aufgerissenen Stuhlraster wurden wieder sauber verleimt. Bei Bedarf wurde neues Holz eingesetzt und das helle, neue Holz mit etwas Beize künstlich nachgedunkelt. Der Sitz der Rasterfüße wurde kontrolliert. Die Hochraster wurden wieder sauber ausgerichtet und die Stifte nachgebogen bzw. im Register Prinzipal 8′ C–H komplett erneuert. Die verrosteten Stockschrauben wurden mechanisch mit Stahlbürsten gesäubert und anschließend in heißem Öl konserviert. Das Moltongewebe auf den Windladen wurde aufgebürstet. Die Verführungen in Windlade und Stock wurden gründlich gereinigt und ausgesaugt, da sich dort Schmutz, Staub und alte Schrauben angesammelt hatten, die mit Spezialwerkzeug entfernt werden mussten. In den Kanzellen waren keine Trocknungsrisse zu erkennen. Die Taschen wurden wieder eingesetzt und getestet. Die überdimensionierten Stockbohrungen für den Prospekt wurden überarbeitet und verkleinert, indem Holzstöpsel eingearbeitet, neu ausgekesselt und ausgebrannt wurden. Die Pedal-Kegellade wurde ebenfalls gereinigt, das Gewebetuch aufgebürstet und die Kegel kontrolliert. Zum Teil mussten die Führungsstifte der Kegelscheren nachgebogen und Schmutz aus den Kegelkesseln entfernt werden. Die Windlade wurde vor dem Einbau des Pfeifenwerks abgedrückt und abgehört.

Aufteilung der Register (v. vorne n. hinten): Prospekt, Prinzipal 8‘, Oktave 4‘, Gedeckt 8‘, Traversflöte 4', Salicional 8‘, Subbass 16'

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Tonbetätigung

Die Ledermembranen der Tonrelais waren allesamt verschlissen und brüchig. Daher wurden sie durch neue Ledermembranen ersetzt. Der Gang der Tonrelais musste anschließend neu eingestellt werden. Die Bleirohre in der Orgel wurden kontrolliert; geknickte Rohre wurden gerichtet und gegebenenfalls mit Gummi Arabicum wieder sauber eingeklebt. Die teilweise zur Verbesserung der Repetition aufgebohrten Bleirohre wurden bei Bedarf wieder mit Spaltleder verschlossen. Die Relais selbst befinden sich nach wie vor in einem sehr guten Zustand und wurden lediglich gesaugt. Die Metallführungen der Drähte an den Tonrelais wurden mit Öl behandelt, um Quietschgeräusche zu vermindern.

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Registereinschaltung

Die Ansteuerung der Register erfolgt über Registerzüge oberhalb der Manualklaviatur, welche einen Auslass freigeben. Das Umschaltrelais wandelt den Abstrom in Zustrom um und betätigt über weitere Bleirohre eine große Ledermembrane unter der Windlade, die wiederum die großen Registerbälgchen über ein Abstrom-System schaltet. Die gesamte Registerapparatur im Querkanal wurde ausgebaut und in der Werkstatt restauriert. Die Registerbälgchen wurden mit braunem Spaltleder vollständig neu beledert und mit einem neuen, dicken Dichtungsleder versehen. Die Umschaltventile in den Verführungen wurden gereinigt. Die restaurierte Registereinschaltung wurde anschließend wieder eingebaut und einreguliert. Die Bleirohre wurden gerichtet und erneut eingeklebt. Der Deckel des Querkanals wurde neu papiert und mit neuen Schrauben versehen.

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Spieltisch

Für die Restaurierung der beiden Umschaltrelais musste der komplette Spieltisch zerlegt werden. Die Bleirohre wurden beschriftet und ausgerohrt. In der Werkstatt wurden beide Apparate überarbeitet: Das Spaltleder der Umschaltventile und die Dichtungsscheiben wurden erneuert und mit Hautleim verleimt. Die korrodierten Drähte der Ventile wurden aus Neusilber neu gefertigt und mit den originalen Holzmuttern sauber einreguliert. Die Regulierschrauben wurden baugleich ersetzt. Die Deckel der Apparate wurden überarbeitet, die verrosteten Schrauben ersetzt. Nach dem Wiedereinbau wurden die Bleirohre sauber ausgerichtet und mit Gummi arabicum eingeklebt. Die Repetition wurde an den Regulierschrauben präzise eingestellt. Undichtes Leder an den Deckeln wurde nach Möglichkeit aufgebürstet oder erneuert. Die gesamten Koppelleder wurden aus Spaltleder neu angefertigt.
Die Manualklaviatur wurde demontiert, gereinigt und restauriert. Die Anschlagfilze am Ende der Tasten wurden erneuert, die Abzugsdrähte mit Hilfe der Holzmuttern wieder sauber einreguliert. Die Dämpfungen auf dem Waagebalken konnten beibehalten werden, waren jedoch bereits früher erneuert worden. Die Garnierung der Führungsstifte wurde in der Mittellage mit Kerntuch erneuert, die Führungsstifte selbst wurden entrostet und ausgerichtet. Die Obertasten wurden geschwabbelt, die Untertasten mit Stahlwolle und Spiritus weiß poliert und anschließend ebenfalls geschwabbelt.
Die Pedaltasten wurden gereinigt und die Dämpfungen an den Seiten angepasst. Der Tastenführung am hinteren Ende war mittlerweile so verbraucht und vom Holzwurm zerfressen, dass diese neu aus Weißbuche angefertigt werden mussten. Die leichten Klappergeräusche beim Pedalspiel sind bauartbedingt. Die Filzscheiben am Auslassventil des Pedals wurden durch Lederscheiben ersetzt. Die Ventilfedern wurden ausgebaut, poliert und die Federaugen geölt. Das Ventilleder wurde komplett erneuert. Für eine verbesserte Spielergonomie wurde das Podium um ca. 7,5cm verbreitert. Dazu mussten auch die pneumatischen Rohre durch Bleirohrflansche entsprechend verlängert werden.
Die Oberfläche des Spieltischs wurde mit klarem Schellack mehrfach aufpoliert, der Rollladen mit schwarzem Schellack überzogen. Die Metallgriffe wurden aufpoliert und fest verschraubt, die Anschlagfilze des Rollladens erneuert und angepasst. In der Werkstatt wurde der gesamte Registerblock zerlegt, gereinigt und aufwändig restauriert. Die werkstypischen Einlegearbeiten aus Messing wurden mit Glasfaserstift wieder zum Glänzen gebracht und mit Schellack aufpoliert. Eine neue LED-Notenpult- und Pedalbeleuchtung wurde für eine angenehmere Spielatmosphäre eingebaut. Diese sind an Steckdosen im Spieltischinneren angeschlossen, welche nur bei Motorwind bestromt sind. Für das Ausstecken muss nur die Kniefüllung entfernt werden. Die unschönen Rückstände von früheren Steckdosen etc. wurden sauber ausgeflickt und das Spieltisch-Gehäuse umfassend überarbeitet. Für den Spieltischdeckel wurden neue Messingschrauben eingebaut. Der alte Heizstrahler unter der Orgelbank wurde entfernt. Die Orgelbank wurde mit 2cm dicken, reversiblen Hartholz-Leisten erhöht. Diese können bei Bedarf einfach abgenommen werden.

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Windanlage & Gehäuse

Die gesamte Balganlage wurde gereinigt und gesaugt. Das Überdruckventil an der Balgplatte wurde neu beledert und eingestellt. Die Abdeckungen der Balggewichte wurden mit neuem Papier überzogen, und alle Schrauben der Balgplatte wurden erneuert. Poröse und gerissene Balgecken wurden repariert und sauber abgedichtet. Die Balgscheren wurden geschmiert. Eine neue, schallgedämmte Motorkiste wurde angefertigt und mit einem Schlüsselschalter versehen. Alle Windkanäle zur Orgel wurden geprüft, neu papiert und die Flansche mit einer Filz-Leder-Dichtung versehen.
Das Rollventil wurde umfassend restauriert, neu papiert, und die Rückschlagklappen aus Leder erneuert. Der Winddruck wurde auf 82 mm WS einreguliert. Ebenso wurde die Drossel so eingestellt, dass der Balg auch bei Tutti-Spiel nicht zu sehr zusammenfällt. Die alte Glaswolle unter dem Podium wurde entfernt und entsorgt. Im Rahmen der Renovierung wurden auch die hinteren Podiumsteile angepasst und statisch verbessert, indem neue Steher und Stützen eingebaut und die Abdeckung vor dem Motor angepasst wurden. Um an den Motorflansch zum Kanal zu gelangen, lässt sich diese Abdeckung herausheben. Zusätzlich wurde eine neue Windanzeige für den Tretbetrieb auf der C-Seite installiert.
Im Rahmen der Renovierung wurden die vier seitlichen Füllungen mit Abstandsklötzchen versehen, um eine bessere Luftzirkulation zu ermöglichen. Zudem wurden mehrere Füllungen überarbeitet und ausgerissenes Holz sorgfältig ausgebessert. Die fehlenden Profilornamente der Zinnen wurden rekonstruiert und wieder ergänzt. Das Gehäuse wurde mit Holzschutzmittel imprägniert. Die Rückwand am Pedalwerk wurde mit neuen Schrauben fixiert. Um das Pfeifenwerk künftig besser vor herabfallendem Stuck zu schützen, wurde jeweils seitlich über der Orgel ein dezentes Schutzgitter installiert. Dieses lässt sich bei Bedarf leicht demontieren, sodass der Zugang zur Orgel nicht beeinträchtigt wird. Die Maßnahme beeinflusst die Klanglichkeit des Instruments nicht. Für eine verbesserte Luftzirkulation im Inneren des Instruments wurden die seitlichen vier Füllungen mit Abstandsklötzchen versehen. Die Füllungen lassen sich mit einem einfachen Stecksystem herausheben und sind nicht geschraubt.

Disposition

I. Manual C-f³
Principal 8'
Gedeckt 8'
Salicional 8'
Oktave 4'
Traversflöte 4'
Pedal C-d'
Subbass 16'
Koppeln & Spielhilfen
Pedalkoppel
Superoktavkoppel
Volles Werk

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